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Die Geschichte des Wienerliedes

Ein wichtiges Merkmale des Wienerliedes findet sich bereits in dem vom Chronisten Jans Enenkel nach dem Tod des sängerfreundlichen Herzogs Leopold VI. in Versen verfassten Klagelied:

die sprichwörtliche Raunzerei (Klagen, Jammern),
die auf der steten Sehnsucht nach dem Vergangenen, der „guten alten Zeit“, beruht.

Als die Babenberger von den Habsburgern abgelöst waren, raunzte man wieder. Das Eigenlob als weitere Zutat taucht zur selben Zeit auf. Aber auch andere lobten Wien für seine Musikalität, so Walther von der Vogelweide, der hier „singen und sagen“ gelernt haben will.

Im 13. Jahrhundert entstanden die ersten Trink und Brauchtumslieder

Spätestens ab 1278/96 war das Gewerbe der Spielleute und Gaukler unter dem Spielgrafen, einem landesfürstlichen Beamten mit richterlichen Befugnissen, zünftisch geregelt.

Die „Nikolaibruderschaft“
war die erste Musikerzunft, bei der neben kirchlichen auch weltliche Lieder gesungen wurden.
Die ersten Trink- und Brauchtumslieder entstanden und somit ist ein weiteres Thema des Wienerliedes geboren:

„Wein, Weib und Gesang“.

In einem Lied aus dem 16. Jahrhundert werden die Wiener Weinkeller als Bergwerke dargestellt,
in deren Gruben man sich den „Kragen, den Bauch und auch den Magen“ beim Osterwein füllt.

 

Urkunde der Nikolaibruderschaft
Urkunde der Nikolaibruderschaft

„Die weinkeller so dief und weit,
Daß man vermaint zu dieser zeit,
Stat Wien, die hab unter der Erd Mer gepeus,
den drob funden werd.“

Das Volk musizierte mit Flöten, Bratschen, Geigen und Posaunen,
Die Bürgerlichen spielten vorwiegend Fidel und Harfe.
Notenmaterial ist aus dieser Zeit nur sehr spärlich überliefert.

Wolfgang Schmeltzl schreibt 1548 in seinem Lobspruch auf die Stadt Wien:

„Sie seind vil Singer, saytenspil, Allerlay gsellschafft, fremden vil.
Mehr musicos und Instrument Findt man gwißlich an khainem end.“

Die Renaissance brachte auch die mehrstimmige Satzweise und damit das Wienerlied einen Schritt näher zur später typischen austerzenden Zweistimmigkeit. Durch die Gründung der Hofmusikkapelle zog Wien viele Komponisten und Musiker an.
Ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert gab es auch immer mehr Bänkelsänger und „Liederweiber“, die verschiedenste Nachrichten in moritatenhaften Liedern und ab dem 16. Jahrhundert auch in Schnaderhüpfeln zum Besten gaben;

1552 ließ Ferdinand I. polizeilich gegen „Lanndfahrer, Singer und Reimsprecher“ einschreiten, die „leichtvertig und vnschampere Lieder“ sangen, doch konnte dies die Sangesfreuden der Wiener nicht beeindrucken.

In den Weinkellern wurde feucht-fröhlich weitergesungen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden statt lustiger Lieder Soldatenlieder gesungen, die nicht in Wien entstanden sind; die Moral sank und der Alkoholismus nahm bei Frauen und Männern zu. Die Situation wurde schließlich in satirisch-humoristischen Sittenliedern nach Art der frühen Wein- und Heurigenlieder künstlerisch verarbeitet, wie etwa in dem Lied „Von drey versoffenen Weibern“.

Das 16. und 17. Jahrhundert brachte aber auch Volkslieder für fast alle Berufsstände und ebenso Spottlieder über sie mit sich, in welchen oft irreguläre Geschäftspraktiken aufgegriffen wurden.

Zugleich wurde das Singen in Mundart immer gebräuchlicher.

„Kaum wird ein Dieb an den Galgen gehenckt
So wird schon drüber ein Lied erdenckt
Das dalckerte Lied, das reimet sich Als wie oft Ar… und Friederich.“
von Johann Valentin Neiner

Ende des 18. Jahrhunderts erschienen erstmals gedruckte Texte der Harfenisten und Bänkelsänger.

Einer der Bänkelsänger des 17. Jahrhunderts, „der liebe Augustin“
gilt heute als erster „echter“ und legendärster Wienerliedsänger.

Augustin
Augustin

Ebenso gilt er aber auch als Urvater der Mentalität des gemütlichen Wieners, der nicht untergeht. Ein Motiv, das zunächst häufig zu Todesliedern von Johann Strauss gesungen wird, sich aber auch noch in Wienerliedern bis in heutige Tage wiederfindet.
Auch Melodien von Joseph Lanner wurden wienerisch vertont,
wodurch die beiden Komponisten ohne bewusstes Zutun zu Wienerlied-Komponisten wurden.

Mit dem lieben Augustin verschwand auch bald der Dudelsack aus dem Gehör der Wiener; die Harfe war das beliebteste Begleitinstrument des 18. und 19. Jahrhunderts. Auch Blinde waren nicht selten unter den Sängern und Harfenisten zu finden. Oft verfassten bekannte Literaten ihre Texte, wie auch Ignaz Franz Castelli für einen der populärsten, den „blinden Poldl“. Auch Franz von Schober, Anastasius Grün, Ferdinand Sauter, Nikolaus Lenau, Alois Blumauer und nicht zuletzt Ferdinand Raimund gehörten zu dem Wienerlied textenden Kreis. Etwas weniger literarisch geht es in den um 1800 gesungenen Spittelberg-Liedern zu. In dem Vergnügungsviertel vor den Toren der Stadt herrschte buntes Treiben: Von den 138 Häusern waren 58 im Besitz einer Schankberechtigung.

„A Mensch wollt i pudern, i hab mi net traut, drauf hab i mei(n) Nudl am Bam anighaut.“

Eines der Spittelberglieder

Johann Baptist Moser machte es sich zur Aufgabe, das Niveau der Wienerliedtexte zu heben und verfasste zahlreiche Couplets, in denen er die Wiener ironisch betrachtet. Als Reformator des Wienerliedes wird ihm die Einführung der wiederkehrenden Refrainzeilen zugeschrieben, auch tauschte er die Harfe gegen das Klavier. Die von den tiefen Texten übersättigten Wiener nahmen seine Werke gerne an.

Das Ansehen der Volkssänger wurde gehoben. Sie setzten ihrer Bezeichnung das Prädikat „Salon“ voran und waren nun Salon-kapellen, -orchester, -geiger etc. Moser war jedoch auch für die Auftrittsgenehmigungen zuständig und wirkte in seiner Funktion zensierend, indem er die Aufführung ihm nicht genehmer Lieder verbot.

Die nun auch von Spontanität, Kritik und Aufmüpfigkeit bereinigten Lieder wurden vor Eintrittsgeld zahlendem Publikum vorgetragen, statt wie bisher durch anschließendes Absammeln entlohnt. Verdrängt wurde er schließlich von Josef Modl und Johann Fürst, auch Berufsgruppen wie die Fiaker und die Wiener Wäschermädeln schieben sich in den Vordergrund.

Johann Bratfisch, Leibfiaker von Kronprinz Rudolf, wurde ein berühmter Volkssänger mit oft derben, zotigen Liedern, sowie ein Wiener Original.

Ein weiterer bedeutender Wienerliedsänger war Edmund Guschelbauer, vor allem bekannt für das von Josef Sioly komponierte Lied „Weil i a alter Drahrer bin“,

aber auch für das von Engelbert Herzog komponierte Lied mit dem folgenden Refrain:

„I bin a echter Weana so nach’n alten Schlag,
der nur a ferme Gaude und a a Wein’l mag.“
von Edmund Guschelbauer

Die Ringstraßenzeit wurde zur Blütezeit des Wienerliedes.
Josef Sioly komponierte über 1000 Wienerlieder, für die häufig Wilhelm Wiesberg die Texte lieferte.
Als Begründer des politischen Liedes, das Missstände der Zeit polemisch aufs Korn nimmt,
gilt der Texter und Komponist Ignaz Nagel, der ebenfalls mehr als 1000 Lieder schrieb.
Karl Föderl meldete ebenfalls 1000 Wienerlieder an.
Carl Lorens komponierte mehr als 2000 Lieder, die er großteils auch selbst textete.
Ludwig Gruber brachte es auf 3000 komponierte Lieder, für die er teilweise auch die Texte schrieb,etwa

„Mei Muatterl war a Weanerin“ und „Es wird a Wein sein“.

Vertont wurden sie unter anderem von der berühmten Maly Nagl.

Ein Beispiel für kraftvolle Ursprünglichkeit ist Rudolf Kronegger,
der auch viele Lieder für Maly Nagl schrieb.

MalyNagl

Kronegger

Neben Maly Nagl brachte die Zeit eine große Zahl an Volkssängerinnen hervor.
Antonie Mansfeld trat als frivole Lieder singende Diva auf, ehe sie knapp vierzigjährig im „Irrenhaus“ starb.

Luise Montag, die einen Stimmumfang von vier Oktaven hatte, trat mit Edmund Guschlbauer im Duett auf und wurde als „Lercherl von Hernals“ berühmt. Verarmt starb auch sie im „Irrenhaus“. Fanny Hornischer hatte es besser erwischt, obwohl sie keine gute Stimme hatte; ihre Texte, u. a. „Halt di z’ruck, Schackerl“, waren umso gepfefferter. Emilie Turecek war als „Fiakermilli“ bekannt. Sie gehörte zum Kreis Johann Bratfischs und auch der Gebrüder Schrammel. „Ich bin halt noch so unerfahr’n!“ war eines ihrer beliebtesten Coupletlieder.

Die Brüder Josef und Johann Schrammel, Heurigenmusiker mit klassischer Geigenausbildung am Konservatorium, gründeten gemeinsam mit Anton Strohmayer an der Kontragitarre 1878 ein Terzett und erweiterten dieses 1884 um den Klarinettisten Georg Dänzer zum Quartett. Später wurde die Klarinette durch die Harmonika ersetzt.

Die „Schrammeln“, wie sie sich nannten, waren bei allen Festivitäten zugegen und fanden auch Eingang in die Kreise des Adels. Weltbekannt wurde der Marsch „Wien bleibt Wien“. Johann Schrammel war mit einer von ihm angelegten Sammlung alter Tänze (Bezeichnung für die Melodien der alten Wienerlieder) auch Retter alter Volksmelodien. Mit dem Zerfall der Monarchie besingen die Wiener einzelne Stadtteile der ihnen zu groß gewordenen Stadt und beschwören damit ihre im Groß-Wien aufgegangenen Vororte, sie fühlen sich entwurzelt und finden sich beim Heurigen wieder, der Heimat der Schrammelmusik.

Mit der Machtübernahme der Nazis emigrierten zahlreiche Textautoren, insbesondere jene, die für Robert Stolz geschrieben hatten, der ebenfalls das Land verließ. Darunter waren etwa Walter Reisch, Kurt Robitschek, Alfred Grünwald und Arthur Rebner.

Auch Peter Herz, der für Hermann Leopoldi u. a. „In einem kleinen Café in Hernals“ und „Schön ist so ein Ringelspiel“ textete, musste die Zeit im Exilverbringen.

hermann-leopoldi

Das vom bereits 1921 verstorbenen Gustav Pick verfasste Fiakerlied wurde unter den Nazis verboten.

GustavPickWienerFiakerlied

Fritz Löhner-Beda, Jura Soyfer und Fritz Grünbaum wurden in KZs umgebracht. Zuvor schrieb Fritz Löhner-Beda mit Hermann Leopoldi das Buchenwaldlied. Das Dachaulied ist ein Werk von Herbert Zipper und Jura Soyfer. Zur Melodie des flotten Marsches „Heut‘ kommen d‘ Engerln auf Urlaub nach Wean“ von Franz Josef Hub und Ferry Wunsch wurde in Wien im Untergrund ein neuer Text als Form des sanften Widerstands gedichtet:

„Was is denn heut nur los, was is denn heute gschehn?
Es san so überfüllt die deutschen Panzerwägn! A Weaner, den i frag, der sagt vor lauter Plag,
i sag dir glei den Grund für diesen Einmarschtag:
Heut‘ kommen d‘ Piefke auf Urlaub nach Wean, da gibt’s was z’fressn und des habn de gern!
Da gibt’s die Schrammeln, a Weinderl dazua, de fressen und saufn bis morgn in da Fruah!
Hinter an Bam steht da Göring und lacht: das hat der Adolf schon sehr g’scheit gemacht!
Der Petrus im Himmel schlagt z’sammen die Händ:Weanaleit, Weanaleit, euch habn’s darennt!“

 

In der Nachkriegszeit wuchs das Bedürfnis nach Unterhaltung mit lokalem Bezug.
Dieses wurde u. a. von Trude Mally befriedigt,
die auch bei den Staatsvertragsverhandlungen für Stimmung gesorgt haben soll.

Die von Neubeginn, Vergessen und guter Laune geprägte „österreichische Seele“
forderte in den 1950er-Jahren das „Neue Theater am Kärntnertor“ um (s. o.) Gerhard Bronner,
Georg Kreisler („Die alte Engelmacherin“) oder Georg Kreisler („Tauberl vergiften“)
zu Parodien und Persiflagen heraus.
Mit Zynismus und Treffsicherheit thematisierten sie die dunkle Seite der Wiener Seele.
Das Wienerlied selbst geriet während der Fünfziger- und Sechzigerjahre
im Einfluss des deutschen Schlagers beinahe in Vergessenheit.
Ausnahmen stellten etwa die 1966 produzierte Schallplatte „Helmut Qualtinger“

Der von der Zeit des Ersten Weltkriegs bis zu seinem Tod in den späten 1950ern wohl populärste Vortragskünstler Hermann Leopoldi („In der Barnabitengassn“, „Schnucki, ach Schnucki“) stand mehr in der Tradition der Bar- und Varieté-Szene.

In den 1950/60er Jahren spiegelten hierzulande die kabarettistischen Lieder von
Pirron und Knapp („Tröpferlbad“, „Hausmastarock“) die Wiener Lebensweise wider
und waren so gut wie jedem bekannt.

Aber auch in der heutigen Zeit wird fleissig komponiert und getextet. Gott sei Dank gibt es wieder zahlreiche Wienerliedersänger wie z.B, das DUO DE ZWA, die das Wienerlied pflegen, aber auch NEUE WIENERLIEDER die durchaus anhörbar sind und sich zu der Familie Wienerlied gesellen dürfen, texten und komponieren.